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Aktualität interkultureller Kommunikation  

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Nicht zuletzt weist die aktuelle Globalisierungsphase eine in großem Umfange konfliktuelle Dimension durch die zunehmende Kluft zwischen den Kulturräumen der Erde, insbesondere die westliche Welt und den islamisch-arabischen Kulturraum, was wiederum Lebensformen, Wertesysteme und Kommunikationsformen betrifft. (Die aktuellen wütenden und zum Teil gewalttätigen Reaktionen in der arabischen Welt, aber auch von in westlichen Ländern lebenden Muslimen auf das antislamische Schmähvideo und die westliche Reaktion darauf zeugen u.a. von einem erheblichen Defizit an gelungener interkultureller Kommunikation).Weitere Chancen und Herausforderungen für die interkulturelle Kommunikation zwischen der westlichen Welt und dem islamisch-arabischen Raum stellen die jüngsten politischen Ereignisse in der arabischen Welt samt ihren bisher unabsehbaren Folgen für die Region und für die ganze Welt dar. Dort, wo die arabischen Völker ihre langjährigen Regime gestürzt haben, in der Hoffnung auf Demokratie, Würde, bessere Lebens- und Arbeitschancen, wahre politische Beteiligung und Mitspracherecht, wo dementsprechend neue Regime und Strukturen mit andersartigem Profil sich herauskristalisieren, werden zentrale Begriffe der Interkulturalität neu definiert und von den erwachenden Völkern gefordert: einen Kulturdialog mit dem Westen, der den arabischen Menschen als ebenbürtigen Partner ohne Hegemonieansprüche betrachtet, Wiederentdeckung kultureller Identität mit Nachdruck auf arabisch-islamischer Komponente, Wiedergestaltung der Auslandsbeziehungen aufbauend auf das auf die religiöse Identität akzentuierte Selbstverständnis. In Ägypten als Schlüsselland in der Region haben Toleranz, Aufgeschlossenheit und Weltgewandtheit der Jugendliche der Januar- Revolution einerseits die Welt anfänglich fasziniert und neue Türen und Fenster für eine vielversprechende interkulturelle Kommunikation eröffnet. Fast zwei Jahren nach der Revolution werden andererseits Befürchtungen gehegt, dass die anfänglich hoffnungsvollen jungen Menschen, wegen verschiedenartigen Problemen der Transformationsländern, ob politisch, wirtschaftlich oder kulturell, sich enttäuschen, von der Welt abkapseln, und damit als einen Nährboden für Extremismus und Gewalt dienen, wo Hassprediger und durch Stereotypen aktivierte Feindbilder die Chancen für eine gegenseitige gelungene interkulturelle Kommunikation mit dem Westen minimieren und, ob auf intra- oder interkultureller Ebene, die friedliche Koexistenz gefährden, was mit Gewaltausbrüchen oder Kriegen enden könnte.

Daher gehören heutzutage die Sensibilisierung für die Kategorien der interkulturellen Kommunikation und die Entwicklung interkultureller Kompetenz zu den wichtigsten Aufgaben der Bildung, v.a. auf Hochschulebene: Bewusstsein um und positive Grundeinstellung gegenüber kultureller Differenz und die damit verbundenen kulturspezifischen Kommunikations- und Handlungsmustern, ob auf inter- oder intrakulturellen Ebene in multikulturellen Gesellchaften, Förderung des interkulturellen Fremdverstehens, Rekonstruktion von Selbstbildern am Schnittpunkt der Interaktion mit dem Anderen, Anerkennung und Toleranz von Andersheit und Förderung eines echten, die Menschen repräsentierenden und nicht auf der Ebene von Elitedenkern stattfindenden Kulturdialogs.

In der Germanistik eröffnet sich durch die interkulturelle Neupositionierung eine Palette an Forschungspotenialen, die sich mit der traditionellen Germanistik mit ihrem Ethnozentrismus abbrachen und sich dem Wechselaustausch zwischen der deutschen Sprache und Literatur und der Sprache und Literatur anderer Kulturen widmten. Inzwischen steht im Mittelpunkt der Germanistik das Gegenstandsfeld interkulturelle Kommunikation mit sprach-, literatur-/kultur- und übersetzungswissenschaftlichem Profil: Sprache als Mittel zum interkulturellen Austausch zwischen Mitgliedern verschiedener Kulturgemeinschaften, die Literatur als Spiegelbild von Kulturgemeinschaften und als Medium des kulturellen Austausches, die Übersetzung als Mittel des Wissens- und Kulturtransfers und Übersetzer als Brückenbauer zwischen den Kulturgemeinschaften. Äußerst fruchtbar ist der in ägyptisch-deutscher Zusammenarbeit entwickelte Ansatz einer germanistischen Beschäftigung mit interkultureller Kommunikation, die Beiträge sowohl deutscher als auch arabischer Germanisten und Wissenschaftler sind in dem 2011 von Eckehard Czucka und Eva Neuland herausgegebenen Tagungsband „Interkulturelle Kommunikation: Perspektiven einer anwendungsorientierten Germanistik“ erschienen und geben einen guten Überblick über den gemeinsam entwickelten interkulturellen Ansatz. Dieser ist explizit philologisch und bezieht sich auf die Kerngebiete „deutsche Sprache“ und „deutsche Literatur“ in vielfältigen kulturellen Austauschprozessen, besonders im Hinblick auf Ägypten und den arabischsprachigen Raum. Dabei genügt nicht eine kontrastive Gegenüberstellung der Forschung interkultureller Kommunikation im Gegenstandsfeld von Sprache und Literatur, denn die interkulturellen Austauschsprozesse durch ihre interaktive und konstruktive Dimension entziehen sich einem solch schlichen bipolaren Zugriff. In diesem Rahmen lassen sich, um nur Beispiele zu nennen, folgende Ansätze anführen: Interkulturelle Pragmatik, interkulturelle Semantik, Imagologie, Xenologie, postkoloniale Studien, interkulturelle Rezeptionsforschung, Kulturtransfer und interkulturelle Übersetzungswissenschaft. Neue Ansätze der interkulturellen Didaktik, wie das von Heringer entwickelte Konzept von den kultur aufgeladenen Hotwords, können erfolgreich in den Sprach- und Übersetzungsunterricht im deutsch-arabischen Kontext eingesetzt werden, um die interkulturelle Kompetenz der Studierenden zu verbessern. Auch Ansätze zur Beschreibung des Sprachverhaltens in den kommunikativen Umgangsformen, unter Berücksichtigung der Aspekte von Direktheit, Rituale und Tabus, sind vielversprechend, im Hinblick auf das Sprachenpaar Deutsch-Arabisch. Was die Übersetzung als Mittel interkultureller Kommunikation angeht, so sind die Ausführungen von Spillner bezüglich der Verdienste der kontrastiven Textologie für die Übersetzungswissenschaft und für die übersetzerische Praxis äußerst reichhaltig. 

Interkulturelle Kommunikation und interkulturelle Kompetenz sind in unserer globalisierten, entgrenzten Welt zu in allen Bereichen der Gesellschaft und im internationalen Austausch unentbehrlichen Schlüsselqualifikationen geworden. Durch zunehmende Mobilität im Studiums- und Arbeitsbereich, aber auch durch Reisefreiheit, Massentourismus, Wachstum der wirtschaftlichen Beziehungen, modernen Kommunikationstechnologien im Zeitalter der Globalisierung kommen täglich Tausende Angehörige verschiedener Kulturen aufeinander und müssen zusammen kommunizieren. Diese Globalisierungsphase, in der wir uns seit den achtziger Jahren befinden, bringt durch ein Bündel an spezifischen Dimensionen, die sie charakterisieren, ein breites Spektrum von Herausforderungen für die interkulturelle Kommunikation mit sich: De-Territorialisierung von Institutionen, Unternehmen und Gemeinschaften, Hybridisierung von Kulturen durch Kulturkontakt, -austausch und – transfer und folglich ein starkes In-Frage-Stellen von den traditionellen Vorstellungen von Nationen und Nationalkulturen, eine transnationale und transkulturelle Netzwerkbildung, einen verstärkten amerikanischen Einfluss auf politischer und kultureller Ebene und virulent darauf reagierende Formen der Antiamerikanisierung. 

© 2013 by Trafo4: Deutsch-Arabische Forschungspartnerschaft - Al Tawasul -Interkulturalität im deutsch-arabischen Kontext . All rights reserved Â© Dr. Reem EL-Ghandour.

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